Mittelalter



Bocholt wurde zum Jahre 779 erstmalig als „Buocholt“ erwähnt und erhielt 1222 Stadtrechte nach Münsterschem Vorbild durch den Bischof von Münster. Bocholt wird traditionell als "Buchenholz" gedeutet. Auf diese Etymologie deuten die mittelalterlichen Stadtsiegel hin, die als sogenannte redende Siegel sämtlich einen Baum als Siegelbild zeigen, der auf dem Stadtsiegel von 1302 eindeutig als Buche zu identifizieren ist. Von Einheimischen wird die Stadt auf plattdeutsch „Bokelt“ genannt. Der Wahlspruch eingefleischter Bocholter lautet (auf Bocholter Plattdeutsch): „Nörgens bäter as in Bokelt“ (Nirgends besser als in Bocholt).



Im Mittelalter wuchs die Siedlung um eine Anfang des 9. Jahrhunderts gegründete „Urpfarre“ und einen bischöflichen Haupthof an einem Übergang über die Aa. Die Stadterhebung diente der Sicherung der fürstbischöflichen Macht im Westen des Bistums. Die Entwicklung der Stadt verlief gut, im 14. Jahrhundert musste das befestigte Stadtgebiet erweitert werden, eine zweite Kirche wurde errichtet - die jedoch bis ins 20. Jahrhundert keine Pfarrrechte erhielt - und die Stadt wurde landtagsfähig. Im 15. Jahrhundert wurde die Stadtpfarrkirche St. Georg als gotische Hallenkirche neu erbaut, drei Klöster entstanden, am Ende des Jahrhunderts wirkte Israhel van Meckenem († 10. November 1503 in Bocholt) als Goldschmied und Kupferstecher in Bocholt.



Frühe Neuzeit



Mit Beginn der Neuzeit endete der Aufstieg der Stadt. Wegen ihrer Grenzlage litt die Bocholter Wirtschaft unter dem Achtzigjährigen Krieg. Im sogenannten spanischen Winter 1598/99 war Bocholt monatelang von spanischen Truppen besetzt. Der Bau des Rathauses 1618/24 ist ein Indiz für eine Erholung des städtischen Wohlstands. Danach ruinierte der Dreißigjährige Krieg die Stadt: wiederholte Eroberungen und Plünderungen und eine kostspielige Besetzung durch hessische Truppen von 1635 bis 1650 verarmten Bocholt. Hinzu kamen verheerende Pestjahre. Zum wirtschaftlichen Niedergang kam der politische. Da die Stadt wie andere auch seit der Mitte des 16. Jahrhunderts mehrheitlich zum Protestantismus tendierte und sich allen landesherrlichen Rekatholisierungsversuchen widersetzte, verlor auch sie 1627 faktisch ihre städtische Selbständigkeit und erhielt sie nach erfolgter Gegenreformation nur eingeschränkt zurück.



Die Erholung dauerte Jahrhunderte. Mitte des 16. Jahrhunderts hatte die Stadt Zuzug von Kriegsflüchtlingen aus Brabant, die Kenntnisse in der Baumwollweberei mitbrachten und 1569 eine Baumwollgilde, das "Bomsidenambt", gründeten. Die manuelle Textilherstellung aus Baumwolle wurde im Laufe der Zeit der wirtschaftliche Schwerpunkt Bocholts, freilich in Abhängigkeit von einem Baumwollimport über die Niederlande, der im 18. und frühen 19. Jahrhundert - speziell im Siebenjährigen Krieg und unter der napoleonischen Herrschaft - immer wieder Störungen unterlag.




Moderne Küche einer Arbeiterwohnung, um 1920, im Textilmuseum Bocholt



Durch den Frieden von Lunéville (1801), das Ende des Fürstbistums Münster (1802) und den Reichsdeputationshauptschluss (1803) gelangte die Stadt Bocholt unter die Herrschaft der Fürsten zu Salm-Salm und Salm-Kyrburg (siehe auch Salm (Adel)), die in den Gebieten der vormals fürstbischöflichen Ämter Bocholt (einschließlich der Herrschaft Werth) und Ahaus sowie in den Gebieten der Herrschaften Anholt und Gemen das Fürstentum Salm errichteten. Die Stadt Bocholt avancierte zur Landeshauptstadt, indem die Fürsten dort in einem säkularisierten Damenstift die "Fürstlich Salmisch Gemeinschaftliche Regierung" einrichteten. 1806 gehörte das Fürstentum Salm zu den Gründungsstaaten des Rheinbundes. 1811 wurde das Fürstentum Salm neben anderen Staaten von Frankreich annektiert, 1813 durch Preußen besetzt und wenig später durch den Wiener Kongress (1815) auch völkerrechtlich dem Königreich Preußen zugeordnet. Hier gehört Bocholt zum Kreis Borken, Regierungsbezirk Münster, Provinz Westfalen.



Die Industrialisierung, die in Bocholt 1852 mit der Aufstellung der ersten Dampfmaschine für eine Spinnerei begann, brachte vor allem ab 1871 einen kräftigen Wirtschaftsaufschwung. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurden mindestens 114 Textilfirmen gegründet. Mit dem Aufstieg der Textilindustrie waren verbunden ein ebenso kräftiger Bevölkerungsanstieg (siehe Tabelle unten) und ein starker Ausbau der Infrastruktur: 1878 Anschluss an das Eisenbahn-, 1913 an das Elektrizitätsnetz; Krankenhausneubau 1875-78, Schlachthof 1899/1900, Stadtgas 1901, Bahnhof 1904, Feuerwehr 1907, Amtsgericht 1910/11, Wasserleitung/Kanalisation 1911-13, Friedhofsverlegung 1908, Alten- und Waisenhaus 1909/10, Walderholungsstätte 1913, Schul-, Kirchen- und Klosterneubauten) einhergingen.



Während die Wirtschaftsentwicklung im und nach dem Ersten Weltkrieg stagnierte bzw. stark schwankte, erreichte die städtische Eigenständigkeit 1923 mit der Errichtung des Stadtkreises Bocholt einen Höhepunkt. Politisch war Bocholt wegen der überwiegend katholischen Bevölkerung eine Hochburg des Zentrums. Die NS-Machtergreifung wurde dadurch nicht beeinträchtigt. Sie wurde maßgeblich vorangetrieben durch den von der NSDAP eingesetzten Bürgermeister Fritz Emil Irrgang, der die Stadtverwaltung von 1934 bis 1939 führte. 1935-38 erhielt die Stadt in dem eigens dafür gebauten "Stadtwaldlager" eine SA-Garnison der "Österreichischen Legion", d. h. Emigranten des Dollfuß-Putsches, die 1938 wieder nach Österreich abzogen. Das Lager wurde im Zweiten Weltkrieg als Kriegsgefangenenlager (Stammlager VI F) genutzt, das zwischen 1942 und 1944 von Oberst Hans Jauch, dem Großvater von Günther Jauch, befehligt wurde. Auf dem ehemaligen Lagerfriedhof liegen über 1700 tote Sowjetsoldaten, die Ende 1941 im Lager starben. Die Stadt wurde am 22. März 1945 durch einen Bombenangriff zu ca. 85 % zerstört und am 30. März von britischen Truppen eingenommen.



Nach der Auflösung des Staates Preußen und der Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen gehörte die Stadt zum Landesteil Westfalen-Lippe.



Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte Bocholt zur Britischen Besatzungszone. Die Militärverwaltung richtete in dem vormaligen Kriegsgefangenenlager ein DP-Lager ein, zur Unterbringung so genannter Displaced Persons. Die Mehrzahl von ihnen waren ehemalige Zwangsarbeiter aus Polen, Estland, Litauen und Jugoslawien. Da viele DPs eine Repatriierung in den kommunistischen Machtbereich ablehnten und eine Auswanderung nach Übersee anstrebten, was aber dauerte, existierte das DP-Lager Bocholt noch bis Anfang der 50er Jahre und war damit eines der letzten Lager in Westfalen. Danach ging die Verwaltung auf deutsche Behörden, nämlich das NRW-Sozialministerium, über. Die brachten darin Flüchtlinge des Kalten Krieges unter: 1956 Ungarn, später DDR-Flüchtlinge.



Der Wiederaufbau in der Mitte des 20. Jahrhunderts gelang sehr rasch, was vornehmlich dem rasanten Wirtschaftsaufschwung der 50er und 60er Jahre zu verdanken war. Die Bocholter Textilindustrie konnte jedoch nur anfänglich an diesem Aufschwung teilnehmen und geriet zunehmend in Konkurrenz zu billigeren Auslandsprodukten. Folge war ein starker Rückgang dieses Industriezweigs. Dagegen prosperierten die Metall- und die Elektroindustrie, welche heute die lokale Wirtschaft bestimmen. Im Zuge der kommunalen Neugliederung 1975 stieg die Einwohnerzahl durch Eingemeindung von zehn Umlandgemeinden von ca. 49.000 auf ca. 65.000, die Fläche wuchs von 18,4 km² auf 119,4 km². Infolge dieser Erweiterung konnten ein weiträumiges Industriegebiet (Industriepark Bocholt) südwestlich der bebauten Stadtfläche im Stadtteil Mussum eingerichtet und das Krankenhaus aus dem Stadtkern ausgelagert werden.



Trotz erfolgreichen Wiederaufbaus und wirtschaftlichen Ausbaus konnte die Stadt ihre zentrale Stellung im Umland nicht beibehalten. Die Bahnverbindungen wurden bei Ausbau des Straßenverkehrsnetzes in den 60/70er Jahren bis auf die Rheinschienenanbindung nach Wesel stillgelegt, die Kreisfreiheit ging 1975 verloren, was u.a. das Aus des "BOH-Kennzeichens" mit sich zog. Mit der Privatisierung von Bundesbahn und Bundespost in den 90er Jahren wurden Bahnhof und Postamt zurückgestuft, das Gewerbegericht wurde verlegt. Durch die Fertigstellung eines Justizzentrums für Arbeits- und Amtsgericht sowie Staatsanwaltschaft Ende 2006 konnte der drohende Abzug der Justizbehörden abgewendet werden.



Ehrungen für die Stadt Bocholt



* 1972 Verleihung der Ehrenfahne durch den Europarat in Straßburg als Anerkennung für das europäische Engagement der Stadt Bocholt; Ehrenbezeichnung "Gemeinde Europas".


* 1991 Verleihung der Ehrenplakette durch den Europarat.


* 1993 Verleihung des Europapreises durch den Europarat.


* 2004 und 2005 - Verleihung des Titels: "Virtuelles Rathaus Münsterland"


* 2005 Verleihung des "European Energy Award"


* 2005 und 2006 - Gewinn des Titels "Fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands" unter 100.000 Einwohnern. Der Titel wird im Rahmen des vom Umweltbundesamt geförderten ADFC/BUND-Projektes "Umweltentlastung durch mehr Radverkehr" verliehen.


* 2006 Verleihung des Titels "Virtuelles Rathaus NRW 2006"


* 2008 Als einzige deutsche Stadt erhält Bocholt zum zweiten Mal die Verleihung des Europapreises durch den Europarat.



Gliederung nach Stadtteilen



Bocholt ist in 11 Stadtteile gegliedert. Neben Bocholt selbst sind das folgende Stadtteile:



* Barlo


* Biemenhorst


* Hemden


* Holtwick


* Liedern


* Lowick


* Mussum


* Spork


* Stenern


* Suderwick



Einwohnerentwicklung



Im Mittelalter hatte Bocholt nur wenige hundert und in der frühen Neuzeit einige tausend Einwohner. Die Bevölkerung wuchs nur langsam und ging durch die zahlreichen Kriege, Seuchen und Hungersnöte immer wieder zurück. So sank die Einwohnerzahl 1448 während der Soester Fehde, als Bocholt bombardiert wurde. Während einer Pestepidemie 1636/37 starben etwa die Hälfte der Bewohner. Auch im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) wurde die Stadt durch Heerzüge und Plünderungen in Mitleidenschaft gezogen. Erst mit dem Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert beschleunigte sich das Bevölkerungswachstum. Lebten 1831 erst 4.000 Menschen in der Stadt, so waren es 1900 bereits über 20.000.



Deutlich sichtbar sind die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges. Bis Kriegsende wurden durch die alliierten Luftangriffe 85 Prozent der Gebäude zerstört. Die Bevölkerungszahl sank von 35.000 im Jahre 1939 auf nur noch 8.000 im März 1945. Im Jahre 1974 lebten rund 48.000 Menschen in der Stadt. Durch zahlreiche Eingemeindungen von Ortschaften in der Umgebung stieg die Bevölkerungszahl am 1. Januar 1975 auf 66.000. Am 30. Juni 2005 betrug die „Amtliche Einwohnerzahl“ für Bocholt nach Fortschreibung des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen 73.762 (nur Hauptwohnsitze und nach Abgleich mit den anderen Landesämtern) - historischer Höchststand.



Die folgende Übersicht zeigt die Einwohnerzahlen nach dem jeweiligen Gebietsstand. Bis 1789 handelt es sich meist um Schätzungen, danach um Volkszählungsergebnisse (¹) oder amtliche Fortschreibungen des Statistischen Landesamtes. Die Angaben beziehen sich ab 1871 auf die „Ortsanwesende Bevölkerung“, ab 1925 auf die Wohnbevölkerung und seit 1987 auf die „Bevölkerung am Ort der Hauptwohnung“. Vor 1871 wurde die Einwohnerzahl nach uneinheitlichen Erhebungsverfahren ermittelt.

Quelle: http://bocholt.forum.st